Genealogie Augustin Schlegel
Der sächsische Bergmann Augustin Schlegel in Alpirsbach und Reinerzau, seine Nachkommen in
diesen und anderen Bergbauorten im Schwarzwald und seine Vorfahren in Sachsen und Böhmen
Der historische Hintergrund: Bergbau im Schwarzwald – ein kurzer Abriss
Im Schwarzwald wurde bereits Ende des 10. Jahrhunderts Bergbau betrieben, eine erste Blüte erreichte er im 13. und 14. Jahrhundert. "Durch den 30jährigen Krieg […] kam der Bergbau in nahezu allen Erzrevieren des Schwarzwalds zum Erliegen. In der übriggebliebenen Bevölkerung gingen die bergmännischen Kenntnisse weitgehend verloren." Ein "reger Betrieb" wurde erst wieder im 18. Jahrhundert aufgenommen. Im fürstenbergischen Wittichen
♦Wittichen = Tal und Teil des fürstenbergischen Stabes Kaltbrunn (heute Ortsteil von Schenkenzell, Lkr. Rottweil), auch der Name der für Kaltbrunn zuständigen katholischen Pfarrei, die Pfarrkirche war zugleich Klosterkirche des Klarissenklosters Wittichen.
sowie in den benachbarten württembergischen Orten Reinerzau und Alpirsbach
♦Beides heute Stadteile von Alpirsbach, Lkr. Freudenstadt.
wurde der Bergbau, v.a. der Abbau von Kobalt- und Silbererzen, nach 1700/06 wieder aufgenommen. Im fürstenbergischen Schenkenzell und in Alpirsbach wurden Farbmühlen (Blaufarbenwerke) errichtet, in denen das Kobalterz zu Blaupigmenten für die Farbherstellung (Cobaltblau) gemahlen wurden.
♦Metz, Rudolf: Gewinnung von Bodenrohstoffen im Schwarzwald. Beiwort zur Karte XI, 10 des Historischen Atlas von Baden-Württemberg, hrsg. von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Stuttgart 1988, S. 1, 4 und 7, Zitate S. 4.
Für die Wiederinbetriebnahme des Bergbaus wurden Fachleute aus Sachsen angeworben. Der wiederaufgenommene Bergbau, v.a. der Kobaltabbau, und der Betrieb der Farbenwerke bewirkten einen Zuzug weiterer Bergleute und anderer Fachkräfte, vor allem aus Sachsen.
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Dies gilt sowohl für Wittichen als auch für Alpirsbach und Reinerzau sowie sicherlich auch für andere Bergbaureviere im Schwarzwald. In der erneuten Hochphase des Bergbaus im Schwarzwald waren Fachkräfte gefragt, so dass die eingewanderten Bergleute und auch ihre Söhne, sofern sie ebenfalls Bergleute wurden, ein gutes Auskommen fanden. Wohl bedarfsbedingt, denkbar auch wegen besserer Bezahlung, waren viele Bergleute während ihres Arbeitslebens an verschiedenen Orten tätig. Teilweise liegen diese Orte mehr als 20 km voneinander entfernt. Hierbei spielte weder die staatliche Zugehörigkeit, noch die Konfession eine Rolle. Bei abweichender Konfession waren die Bergleute in einer der nächstgelegenen Pfarrei ihrer Konfession eingepfarrt.
♦Z.B. sind Einträge zu evangelischen Bergleuten im zum katholischen Fürstentum Fürstenberg gehörenden Wittichen in den Kirchenbüchern der zum Herzogtum Württemberg gehörenden evangelischen Pfarreien Alpirsbach, Reinerzau und vereinzelt auch in Schiltach zu finden.
Spuren der eingewanderten Bergleute bzw. ihrer Nachkommen sind deshalb in den Kirchenbüchern vieler Bergbauorte bzw. benachbarter Pfarreien zu finden. Aufgrund der beschriebenen Wanderungsbewegungen hat ein nicht geringer Teil der Schwarzwälder Vorfahren in Sachsen.
Ausgangsperson, Formales, Quellenlage
Einer dieser eingewanderten Bergleute war Augustin Schlegel aus Johanngeorgenstadt
♦Johanngeorgenstadt (Erzgebirgskreis) = Am 1. Mai 1654jul. mit Genehmigung des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. durch aus Platten (s.u.) im Königreich Böhmen und Umgebung vertriebene protestantische Glaubensflüchtlinge gegründet und nach diesem benannt.
in Sachsen, der als Bergmann und Steiger in Alpirsbach und Reinerzau tätig war. Über einige seiner Kinder hatte er Nachkommen an mehreren Orten im Schwarzwald. Außerdem kann man anhand dreier seiner Söhne die arbeitsbedingte Mobilität der Menschen der damaligen Zeit nachvollziehen. Seine älteste Tochter gründete in Alpirsbach eine Familie. Sein ältester Sohn war Bergmann in Alpirsbach und später Steiger in Schiltach. Sein zweiter Sohn war Bergmann in Reinerzau und Steiger in Neuenbürg. Eine andere Tochter lebte ebenfalls in Alpirsbach. Ein weiterer Sohn war Bergmann in Neubulach und Gutach, wo er später auch Steiger war, bevor er als Steiger nach Neubulach zurückkehrte. Eine weitere Tochter lebte zeitweise ebenfalls in Neuenbürg.
♦Schiltach = Lkr. Rottweil; Neuenbürg = Enzkreis; Neubulach = Lkr. Calw; Gutach = Ortenaukreis.
Zu seinen anderen Kindern konnten bisher, auch wegen der schlechten Quellenlage (s.u.), keine Informationen über ihren weiteren Lebensweg gefunden werden.
In diesem Dokument sind die Ergebnisse meiner bisherigen Recherche – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zusammengestellt. Neben Augustin Schlegel und seinen Kindern sind auch seine Enkel – soweit bekannt – aufgeführt. Dieses Dokument kann somit auch anderen "Verwandten" bei ihrer Ahnenforschung behilflich sein, v.a. auch dort, wo Lücken in der Überlieferung sind oder sich Fehler in die Kirchenbucheinträge eingeschlichen haben, deren Richtigstellung hier beschrieben ist. Ein Austausch (weitere Informationen, Korrekturen usw.) ist willkommen.
Darüber hinaus soll dieses Dokument auch ein Beispiel dafür sein, wie und aus welchen Quellen die Biografie von Bergleuten rekonstruiert und ihre arbeitsbedingte Mobilität erforscht werden kann. Außerdem kann dieses Dokument als Beispiel für und somit als Leitfaden bei der Erforschung der Vorfahren eingewanderter Bergleute aus Sachsen dienen.
Alle aufgerührten Personen bzw. kirchliche Handlungen waren evangelisch-lutherischer Konfession. Die Datumsangaben vor 1582 beziehen sich auf den julianischen, nach 1700 auf den gregorianischen Kalender. An die Datumsangaben für die Zeit dazwischen ist
jul. für den julianischen,
greg. für den gregorianischen Kalender angehängt. Hierbei ist zu beachten, dass die hier zitierten Kirchenbücher aus Platten aufgrund der habsburgischen Herrschaft bereits nach dem gregorianischen Kalender geführt wurden, die Pfarrei an sich damals aber noch evangelisch war.
Als primäre Quellen dienten die Kirchenbücher der jeweiligen evangelischen Pfarreien. Hierbei muss erwähnt werden, dass die Quellenlage in Reinerzau leider sehr schlecht ist. Die Totenregister sind erst ab 1747 überliefert. Auch die in solchen Fällen hilfsweise als Quellen heranzuziehenden Konfirmanden- und die Kommunikantenregister beginnen leider erst 1756 bzw. 1793.
♦KB Reinerzau, M 1651-1812, KR 1756-1810 bzw. LKAS, G 241, Kommunikantenregister 1793-1858.
Die Kirchenbücher der württembergischen und der badischen Landeskirche sind bei Archion.de zugänglich. Die Kirchenbücher von Johanngeorgenstadt lagen zum Zeitpunkt meiner dort bezüglichen Recherche (2010/16) weder mikroverfilmt in einem zentralen Archiv vor, noch standen sie digital zur Verfügung.
♦An der Situation hat sich seither nichts geändert (Stand: Januar 2021).
Deshalb mussten Anfragen an das örtliche Pfarramt gerichtet werden. Einige von Schlegels Vorfahren stammten aus Platten
♦Platten = Am 10. Juli 1534 auf Befehl des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich I. angelegt, am 19. Mai 1547 an das Königreich Böhmen abgetreten, ab 1918 offiziell Bergstadt Platten genannt, heute Horní Blatná in Tschechien. 1654 musste die protestantisch gebliebene Bevölkerung die Stadt verlassen, wovon ein Großteil nur wenige Kilometer jenseits der Grenze Johanngeorgenstadt gründete.
in Königreich Böhmen. Die dortigen Kirchenbücher sind zwar über Digitalisate online zugänglich,
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jedoch ist in den Taufeinträgen die Mutter und in den Eheeinträgen der Vater des Bräutigams nicht angegeben, was die Forschung deutlich erschwert.
Als Sekundärquellen dienten die Ortssippenbücher (Ortsfamilienbücher) von Reinerzau,
♦OSB Reinerzau = Frey, Günther: Ortssippenbuch der Pfarrei Reinerzau. 1558 bis nach 1860. Frankfurt 1994.
Neuenbürg,
♦OSB Neuenbürg = Hahner, Ernst; Huber, Konstantin: Ortssippenbuch der ehemaligen Oberamtsstadt Neuenbürg mit kirchlichem Filial Waldrennach. Erstellt aufgrund der örtlichen Quellen 1558-1900. Pforzheim 1997.
Neubulach
♦OSB Neubulach = Clausecker, Heide: Ortssippenbuch Kirchspiel Neubulach. Neubulach mit Talmühle und Station Teinach; Altbulach mit Kohlerstal und Seitzental; Liebelsberg und Oberhaugstett; 1559-1930. Mit Ergänzungen bis in die Neuzeit. Plaidt 2011.
und Freudenstadt
♦OSB Freudenstadt = Frey, Günther: Ortssippenbuch der Stadt Freudenstadt 1600-1820. Freudenstadt 1998.
sowie ein für das Kirchspiel der Pfarrei Alpirsbach angelegtes Familienverzeichnis.
♦FV Alpirsbach = Albrecht, Georg: Familienverzeichnis der Pfarrei Alpirsbach 1596-1808. Handschriftlich. Alpirsbach, vermutlich 1950er Jahre (= LKAS, Mikrofilm KB 2316, Bd. 29 – 31 bzw. entsprechende Digitalisate auf
www.archion.de).
Weitergehende Einblicke in das Leben von Augustin Schlegel und vereinzelt auch von zweier seiner Söhne, wenn auch meist quellenbedingt im negativem Zusammenhang, gewährt das Protokollbuch für Polizei- und Gerichtssachen des Bergamts Alpirsbach (1724-1817).
♦HStAS, A 58 a, Bü. 232.
"Solange der Bergbau ertragreich war, standen die Bergleute unter der Jurisdiktion der in den einzelnen Revieren amtierenden Bergvögte, Bergmeister oder Bergrichter."
♦METZ (1988), S. 2.
Diese urteilten über Verfehlungen wie Trunkenheit, Beleidigungen und Schlägereien, aber auch über Beteiligung an verbotenem Tanzen oder vorehelichen Geschlechtsverkehr. Außerdem befragten sie, zusammen mit dem örtlichen Pfarrer, die Bergleute nach deren Herkunft und Familienstand, wenn diese heiraten wollten. In besagtem Protokollbuch findet man also ähnliche Einträge wie sonst in den Protokollbüchern der Kirchenkonvente, deren Rechtsprechung die Bergleute aber nicht unterworfen waren – im Falle von Augustin Schlegel kann eine Abweichung von dieser Regelung festgestellt werden, in den Kirchenkonventsprotokollen von Reinerzau ist ein Fall belegt, in dem er wegen eines kleineren Vergehens vor den Kirchenkonvent zitiert wurde.
♦Wobei erwähnt werden muss, dass die Kirchenkonventsprotokolle von Reinerzau erst ab 1756 überliefert sind.
Abkürzungen und genealogische Zeichen
KB = Kirchenbücher
E = Eheregister
Ta = Taufregister
To = Totenregister
M = Mischbuch
KR = Konfirmandenregister
SR = Seelenregister
FR = Familienregister
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FV = Familienverzeichnis
OSB = Ortssippenbuch
HStAS = Hauptstaatsarchiv Stuttgart
LKAS = Landeskirchliches Archiv Stuttgart
Bd. = Band
Bü. = Büschel
S. = Seite
Bl. = Blatt
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oSz = ohne Seitenzahlen
r = recto, Vorderseite eines Blattes
v = verso, Rückseite eines Blattes
∗ = geboren
≈ = getauft
oo = Eheschließung
o-o = uneheliche Verbindung
|
+ = gestorben
+* = tot geboren
▭ = beerdigt
N.N. = nomen nescio, unbekannter Name
Lkr. = Landkreis
s.u. = siehe (weiter) unten (im Text)
♦ = Quelle / Anmerkung ein-/ausblenden
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Stand: 29.01.2021